Auf­stieg und Fall Nemos

Ein Jahr nach dem siegreichen "Code" präsentierte ein verunsicherter Nemo am ESC 2025 in Basel das Seelenbild eines zutiefst verstörten Menschen. Nichts mehr von der Leichtigkeit des ESC-Gewinners 2024. Der Tages-Anzeiger vom 20. Mai 2025 titelt gar: "Müssen wir uns um Nemo Sorgen machen?"

Wenigstens hat sich ein Journalist wieder mal getraut, ein bisschen genauer hinzuschauen. Er bilanzierte: Nemo erscheine zu Beginn seiner Show in "gekrümmter Haltung, unsicher. Und die sonst so feste Stimme wirkt zunächst wackelig. Zittrig gar."    

Kurz später wechselte Nemo zur Kopfstimme und schrie sich unschön die Seele aus dem Leib. Journalist Ane Hebeisen führt aus: Schliesslich werfe sich Nemo «auf die Knie, reisst sich die Perücke vom Kopf, schreit... das Publikum ist eher konsterniert als begeistert." (Tages-Anzeiger, 20.05.25, S. 11.) 160 Millionen TV-Zuschauer verfolgen die Eruption Schweizerischer "Hochkultur". Mehr als 30'000 Fans, mitunter Familien mit Kleinkindern, lassen es auf der Grossleinwand im Joggeli über sich ergehen.

Die Gesellschaft ist schuld!

Nun ist vom woken Tagi nicht zu erwarten, dass die Redaktion plötzlich die zerstörende Kraft von LGBT-Lebensmodellen entdeckt hätte. Und so geht Journalist Hebeisen flugs dazu über, Nemo zum tragischen Helden zu machen, der bestenfalls das Leben nonbinärer Menschen rettet. Nemo habe seit seinem Sieg in Malmö Hass in beängstigenden Dimensionen erlebt. Nun verarbeite er seinen Leidensweg in einem Song, der ein musikalisches Ereignis sei.

Den schwarzen Peter schiebt der Tagi-Schreiber schliesslich einer Gesellschaft zu, welche Personen zur geschlechtlichen Festlegung zwinge. Zudem erinnere Nemos Song auch daran, «wie gründlich unsere Gesellschaft zuweilen darin ist, aus einem Sieger ein gebrochenes Wesen zu machen.»

Diese Erklärungs- und Anklagemuster linker Theoretiker sind bestens bekannt. Schuld ist eine Gesellschaft, welche den Lebensentwürfen arbeitsscheuer oder queer-exaltierter Menschen keine Gültigkeit und keinen Wert zuspricht.

Und der Fluch der schwarzen Hexe?

Dass Nemo beim ESC 2024 engen Kontakt mit Bambie Thug hatte, ist in der ganzen Welt bekannt. Die irische Sängerin, die sich als queere Hexe bezeichnet, hatte in Malmö den 6. Platz erreicht. Ihren Auftritt untermalte sie mit dem Pentagramm. Tänzerisch begleiten liess sie sich von einem gehörnten Dämon.

Kaum stand Nemos Sieg fest, drängte sich Bambie Thug vor und krönte den Sieger mit einer schwarzen Dornenkrone. Die Bilder gingen ebenfalls um die Welt. Als Nemo sein Siegerlied zum Schluss nochmals präsentierte, hielt er die schwarze Krone noch immer fest in seiner Hand. Er war das Ding nicht losgeworden, als man ihn hinter der Bühne für seinen Schlussakt schminkte.

Alles nur Theater?

Natürlich ist Bambie Thug überzeugt von ihrer schwarzen Kunst. Sie glaubt fest daran, Kräfte freizusetzen, die Einfluss auf andere Menschen nehmen.

Für Nemo und das Gros der TV-Zuschauer mag die Performance der irischen «Hexe» eine Spielerei sein. Grusel-Theater. Okkulte Freak-Show ohne Bewandtnis. Sie können und wollen sich nicht vorstellen, dass Bambie Thug Macht gewonnen hat über Nemo. Niemals würden sie den gebrochenen Nemo am ESC 2025 als Opfer eines Fluchs bezeichnen. Nie würden sie die Düsternis von Nemos Auftritt in Basel in Kontext setzen mit der schwarz-blauen Finsternis, die Bambie Thug in Malmö verströmt hat.

Okay - auch materialistisches Denken hat seine Berechtigung. Wer Übersinnliches aus seinem Weltbild ausschliesst, könnte dann zumindest psychologische Kriterien in Erwägung ziehen. Hat die queere Irin den leichtfüssig-farbigen, labilen ESC-Sieger allenfalls mit einer Domination belegt, die in der Seele Nemos während Monaten mottete und gärte, bevor sie am 17. Mai 2025 düster und gebrochen an die Oberfläche kam?

Wohin steuert Nemo?

Die Zukunft wird es weisen, ob Nemo in einer Abwärtsspirale gefangen ist. Mit Daniel Küblböck gab es schon mal einen Contest-Sänger, der wegen seiner fluiden sexuellen Identität hochgejubelt wurde. Damals war es keine Hexe, die den Sänger instrumentalisierte, sondern es waren Vordenker und Unterstützer der Gender-Theorie. Diese pushten DSDS-«Star» Küblböck, der anschliessend auf dem Zeitgeist-Karussell so lange mitdrehte, bis er psychisch kollabierte und seinen Ausweg im Selbstmord suchte.

Weit besser ist es DJ Bobo ergangen, der schon beim ESC 2007 mit dem Okkulten kokettierte. Sein Auftritt als Vampir scheitere grandios, was man getrost als Ende seiner Karriere bezeichnen darf.

Nemo ist es zu wünschen, dass er als Sänger weder wie Küblböck noch wie DJ Bobo endet. Vielmehr sollte er sich an Bob Dylan orientieren, der nach einer persönlichen Weichenstellung seiner Künstlerlaufbahn textete und sang: «But you’re going to have to serve somebody, yes indeed - You’re going to have to serve somebody - Well, it may be the devil or it may be the Lord - But you’re going to have to serve somebody.” (Slow train coming, 1979) Dylan hat sich offenbar richtig entschieden. Er lebt und singt noch.