Die Schweiz und der Zionismus

In Basel wird zur Zeit das 125-Jahr-Jubiläum des "1. Zionistenkongresses von 1897" gefeiert. Die Teilnahme des israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog legt nahe, dass der Gedenkanlass grosses Gewicht hat. 1200 Gäste werden auf Einladung der World Zionist Organisation (WZO) zur Festveranstaltung am 29. August im Basler Stadtcasino erwartet.

Linksextreme und antiisraelische Gruppierungen bemühen sich, den Feiernden die Laune zu verderben. Am Sonntag, 28. August, dürfen die Gegner des Zionismus im Rahmen einer Demonstration ihrer wütenden Überzeugung öffentlich Ausdruck geben. Bei den Gegnern handelt es sich um Pro-Palästina-Aktivisten, die Israel seit Jahren als "Apartheids-Staat" bekämpfen. Organisationen wie BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) schwächen die israelische Wirtschaft. Einzelne Gruppen bestreiten gar das Existenzrecht Israels.

Die Situation in Basel ist also gespannt. Um Ausschreitungen und Gewalt zu verhindern, kommt ein Grossaufgebot an Polizei und Armee zum Einsatz. Der Luftraum wird gesperrt. Der Verkehr im Umfeld der Synagoge und des Stadtcasinos wird markant eingeschränkt.

 

Fiel die Wahl nur zufällig auf Basel?

"In Basel habe ich den Judenstaat gegründet." So bilanzierte der Initiant und erste Präsident des Zionistenkongresses, Theodor Herzl (1860-1904), die Konferenz, die 1897 am Rheinknie stattfand. Herzl selber konnte auf Grund seines frühen Todes die zionistische Entwicklung nur wenige Jahre steuern. Doch seine "Prophetie", dass der Judenstaat spätestens in 50 Jahren für Jedermann offensichtlich sein würde, bewahrheitete sich vor einer staunenden Welt. Am 14. Mai 1948 verkündete David Ben Gurion (1886-1973) die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel.

Basel und die Schweiz haben über dieses Wochenende also einmal mehr einen positiven Auftritt in vielen internationalen Medien. Ist diese Präsenz gerechtfertigt? Oder wurde Basel, wie Daniel Gerny in der NZZ vom 26.08.22 schrieb, eher zufällig als Kongressstandort gewählt?

Der Weltwoche-Journalist Pierre Heumann hat in seinem Buch "Israel entstand in Basel" (Zürich 1997) ausführlich über die zähe Suche nach einer geeigneten Stadt für den Zionistenkongress berichtet. Herzl hatte lange Zeit München favorisiert. Doch sowohl assimilierte wie auch orthodoxe Juden wehrten sich gegen ein zionistisches Projekt. Die eine Gruppe wollte im nun judenfreundlicheren Deutschland in Ruhe leben, während die andere sich gegen eine politische Bewegung wehrte, welche Rettung für die Juden suchte. Dieser Rettungsakt sei dem Messias zu überlassen.

Die Schweiz lockte gesellschaftlich und politisch mit guten Möglichkeiten. 1866 hatten die Juden durch eine Änderung der Bundesverfassung endlich die Gleichberechtigung erhalten. 1874 wurde ihnen die freie Ausübung ihrer Religion zugestanden. Damit beendeten die Schweizer eine lange Zeit der mitunter tödlichen Verfolgung (14. Jhd.), der Ausweisung (ab 1491), und der allmählich erneuten Duldung (17. bis 19. Jhd. in den zwei Gemeinden Endingen und Lengnau).

Zionistenfreunde ebnen Herzl den Weg nach Basel

Als der 1. Zionistenkongress 1897 in Basel tagte, war die Idee einer jüdischen Heimstätte keineswegs neu. Christliche und jüdische Publizisten hatten längst eine Rückführung der Juden ins Heilige Land gefordert. Kein Geringerer als Rotkreuzgründer Henry Dunant (1828-1910) hatte sich seit den 1860er-Jahren dafür stark gemacht.

Basel war am Ende des 19. Jahrhunderts ein eigentliches Zentrum judenfeundlicher Kreise geworden. Schon 1830 gründete man in der Rheinstadt den "Verein der Freunde Israels". Pfr. Samuel Preiswerk, Pfarrer am Basler Münster und Privatdozent für biblische Philologie, engagierte sich seit Ende der 1830er-Jahre für die Widerherstellung Israels. Auch Christian Friedrich Spittler, Sekretär der Christentumsgesellschaft, Führungsperson des Schweizer Pietismus, hatte sich Jahrzehnte für ein judenfreundliches Klima in Basel eingesetzt.

Herzl und seine Mitarbeiter stiessen, als sie den Veranstaltungsort Basel prüften, bei christlichen Gruppierungen also auf eine starke Willkommenskultur. Herzl konnte u.a. auf die effiziente Unterstützung folgender Basler Persönlichkeiten zählen:

  • Prof. Friedrich Heman, Professor Logik & Pädagogik, Universität Basel, zum Christentum konvertierter Jude

  • Bernhard Collin-Bernoulli, Gründer des Consumverein ACV (heute COOP), zum Christentum konvertierter Jude

  • Paul Kober-Gobat, Basler Buchhändler und Verleger

Nicht nur bei christlichen Gruppierungen trafen die Zionisten auf offene Herzen und Türen. Auch die politisch Verantwortlichen Basels hiessen den Zionistenkongress herzlich willkommen (1897 und in den Folgejahren unterstützte die Stadt Basel den Kongress mit beachtlichen logistischen und finanziellen Leistungen).

 

Basel war und blieb erste Wahl

Das religiöse und politische Setting Basels vermochte Herzl letztlich zu überzeugen. Die jüdische Gemeinde verhielt sich weitgehend desinteressiert gegenüber den zionistischen Plänen. So fiel die Wahl auf Basel. Von einer Zufälligkeit kann also keine Rede sein. Dies beweist sich auch dadurch, dass von den 22 Zionistenkongressen bis 1946 deren zehn in Basel stattfanden.

In der Schweiz tagten 14 der 22 Kongresse (2 x Zürich, 1 x Luzern, 1 x Genf). Dass der letzte Zionistenkongress im Jahre 1946 wiederum in Basel durchgeführt wurde, spricht ebenfalls Bände. Die Schweizer Politik war während den Naziherrschaft ja sehr zwiespältig. Zum einen wurde die Schweiz für viele Juden zur rettenden Insel. Zum andern bedeutete die Grenzschliessung für viele Juden den sicheren Tod.

Die Juden, welche den Naziterror überlebt hatten, gewichteten die Schweizer Hilfeleistungen offenbar stärker als unser politisches Versagen in kriegerischer Zeit. Kurz vor dem Ziel der Staatsgründung wählten die Zionisten für ihren letzten Kongress nochmals Basel, wo Theodor Herzl den Kampf für den Judenstaat begonnen hatte. An diesem Kongress vom 9. - 24. Dezember 1946 ging die Führung des Zionismus über an David Ben Gurion, der wenige Monate später den Traum Herzls durch die Gründung der Nation Israel verwirklichte.

Es ehrt die Schweiz, durfte sie dem geschundenen Volk der Juden als Nährboden für ihre Staatsgründung dienen. Die Freude, das Mitfeiern und die Dankbarkeit beim 125-Jahr-Jubliäum des Zionistenkongresses in Basel sind somit ohne Abstriche berechtigt.