Früher war es noch klar und offensichtlich: das Urvertrauen eines Kleinkindes bildet sich dadurch, dass es die ersten Jahre seines Lebens geborgen ist in konstanten, liebenden Beziehungen zu seinen primären Bezugspersonen. Naturgemäss war die erste Person die Mutter. Weitere nahe Personen waren der Vater, Geschwister, weitere Familienmitglieder und Personen des Freundeskreises.
"Heute stimmen Entwicklungspsychologen darin überein, dass in den ersten Lebensjahren die Weichen dafür gestellt werden, ob wir der Welt und den Menschen um uns herum tendenziell vertrauen oder eher nicht." (Wikipedia; Thema Urvertrauen)
Es benötigt also viel Zeit, bis ein Kleinkind Urvertrauen aufbaut. Mehrmals 365 Tage im Jahr liebende Mutter- und Vaterschaft, möglichst viel ungeteilte Aufmerksamkeit, endlos Augen- und Körperkontakt, Pflegen, Ernähren, Lachen, Spielen, Naturerlebnisse, Trösten, Tragen, Vorzeigen, Verarzten, Anweisen, Reflektieren, Korrigieren, Ansprechen, Vorlesen, Erzählen Grenzen setzen und Diskutieren. In tausenden von Stunden Gemeinsamkeit wächst die Fähigkeit des Kindes, zu vertrauen und zu lieben.
Und das Urvertrauen des Krippenbabys?
Was also spielt sich ab in der Seele und im Herzen eines Babys, das wenige Monate nach seiner Geburt dem Personal einer Krippe anvertraut wird? Das Baby verliert im Nu viel von seiner Einzigartigkeit. Statt der grossen Aufmerksamkeit in der Familie erhält es ab sofort nur noch markant eingeschränkte Zuwendung des meist jungen und oft überforderten Krippenpersonals. Der Betrieb einer Babykrippe gerät schnell über seine Grenzen hinaus, wenn mehrere der sonst so niedlichen Kinderchen schreien: wegen Unwohlsein, Hunger, Magenkoliken oder Einsamkeit. Vielfach bleibt nichts anderes, als die Kleinen einfach schreien zu lassen.
Natürlich gewöhnen sich Babys und Kleinkinder früher oder später an das neue Umfeld. Was bleibt ihnen anderes übrig? Das Programm läuft. Der Tagesablauf ist getaktet. Morgens gibt's kein Ausschlafen nach einer schlechten Nacht. Eltern und Kinder müssen zur Zeit raus. An die Arbeit und in die Krippe.
Für die Kleinen beginnt dann ein langer Tag in der organisierten Gruppe. Spielen, Essen, vielleicht schlafen, spazieren. Die Truppe ist oft unterwegs: Babys in Mehrfachwagen.
Kleinkinder mit noch kurzen Beinchen laufen an der Hand von Betreuerinnen. Das Tempo wird vielfach von den grösseren Kindern bestimmt. So bemühen sich ganz Kleine eifrig und bisweilen stolpernd, Schritt zuhalten. Marschdisziplin!
Die Krippentage ziehn sich hin. Nach dem Abgeholtwerden sind die Abende oft stressig, weil tausend Sachen in den kurzen Stunden Platz haben sollten. Musse und Gelassenheit stellen sich nicht leicht ein. Zu viele Bedürfnisse prallen aufeinander.