In der Weltwoche vom 8. September 2022 hat Mario Widmer die Gelegenheit erhalten, ein Loblied auf Chinas kommunistische Diktatur zu singen (Weltwoche Nr. 36.2022; S. 8).
Natürlich distanziert sich Widmer zu Beginn des Textes noch husch vom "staatlichen Terror" gegen die Uiguren. Da der "allmächtige Staat" den religiösen Furor des Islam fürchte, bekämpfe er drohenden Terror mit "Gehirnwäsche". Diese mutiere dann ihrerseits zu Terror: "Umerziehung mit Gewalt, Freiheitsentzug, Folter, Konzentrationslager." Artikelschreiber Widmer "findet diese unmenschlichen Massnahmen nicht gut."
Das Wort "Genozid" bringt Mario Widmer dann aber nicht über seine Tastatur. Obwohl dieser Sachverhalt schon längstens feststeht. Und obwohl der nun doch noch erschienene Uiguren-Report der eben aus dem Amt geschiedenen UN-Menschenrechts-Kommissarin Michelle Bachelet klare Worte spricht.
"Erst kommt das Fressen, dann die Moral" (Bertolt Brecht)
Nach dem ultrakurzen Exkurs in die Gefilde der Menschlichkeit setzt Autor Widmer dann aber an zu seinem Höhenflug des Lobpreises:
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Noch nie in der Geschichte der Menschheit habe sich eine Regierung so um die Menschenrechte verdient gemacht.
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China habe die bedeutendste Tat in der Geschichte der Menschenrechte still und heimlich geschafft.
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Das fundamentalste Menschenrecht sei, nicht in Armut leben zu müssen.
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China, eine der ältesten Kulturen der Menschengeschichte, habe gegen eine Milliarde Menschen aus der tiefsten Armut geholt.
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Der Mission Hills Golf Club habe achtzehn Plätze mit jeweils achtzehn Löchern.
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Wegen dieser grössten Errungenschaft der Menschenrechte würde der Autor es richtig finden, wenn China den Friedensnobelpreis erhält.
Wie kommt es zu einem solchen Artikel? Welche Sicherungen sind hier durchgebrannt? Warum lässt Chefredaktor Köppel einen solch unmenschlichen Affront publizieren?
Dass die Weltwoche auf dem China-Auge schlecht sieht, ist schon lange offenbar. Über längere Zeit durfte der chinesische Botschafter in der Schweiz im Rahmen einer monatlichen Kolumne Staatspropaganda der chinesischen KP publizieren. Natürlich fragten Schweizer Journalisten nach den Motiven, die den bürgerlichen Nationalrat Roger Köppel dazu veranlassen, einem kommunistischen Funktionär den Teppich auszurollen? Köppel vernebelte. Daraufhin berichtete die NZZ am 17.12.19 über auffallende Inserate chinesischer Firmen in der Weltwoche. Auch das Onlineportal nau nahm die Story genüsslich auf.
Die Kolumnen von Botschafter Geng Wenbing sind Geschichte. Die Aargauerzeitung berichtete, dass es im März 2020 Knatsch zwischen Köppel und den Chinesen gab. In Folge wurde die Berichterstattung über China wieder kritischer. Im November (Nr. 44.2021) wurde Xi Jinping z.B. als "Mann der China schwächt" kritisiert.
Und nun soll der chinesische Diktator nach Oslo pilgern, um den Friedens-Nobelpreis entgegenzunehmen? Okay, es mag ja sein, dass der Friedenspreis etwas völlig anderes ist, als seine Bezeichnung es fordert. Auch Kriegsherren wie Barak Obama und Abyi Ahmed haben diesen Preis erhalten. Abyi verpulvert sein Preisgeld vielleicht gerade im aktuellen Bürgerkrieg in Äthiopien.
Textete Widmer im Auftrag der chinesischen Botschaft?
Was auch immer hinter den Kulissen gelaufen ist: Tatsache ist, dass die Weltwoche das chinesische Terrorregime noch nie so unkritisch abfeierte, wie in der aktuellen Ausgabe. Mehrere schwerwiegende Argumente hätten den aufgeklärten Chefredaktor davon abhalten können, diesen Text zu publizieren:
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Eine gute Tat rechtfertigt keine Verbrechen und schon gar keine Massenmorde! China hätte seine Leistung auch erbringen können, ohne freiheitsfeindlichen und todbringenden Staatsterror aufzubauen.
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Die totale staatliche Überwachung und die rigide soziale Kontrolle erwürgt fast jegliche Freiheit im chinesischen Volk.
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Xi Jinping und einige seiner Getreuen haben sich vor laufender Kamera auf die kommunistische Welteroberung eingeschworen. Xis Vorbild ist Mao Tsetung, der 70 Millionen Menschen auf dem Gewissen hat.