Das Volk kann die Rück­kehr zur Neu­tra­li­tät erzwingen

Unbestritten war die Neutralität eine der tragenden Säulen der Schweiz. Sie hat unsere Nation geformt, uns vor Kriegen bewahrt, und sie hat der Schweiz das Ausführen diplomatischer Aufgaben im internationalen Umfeld ermöglicht.

Gemäss Bundesverfassung Art. 185, Abs. 1 wäre der Bundesrat verpflichtet gewesen, die Neutralität zu wahren. Trotzdem hat sich unsere Regierung den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen, nachdem Putin im Februar 2022 die Ukraine angegriffen hatte.

Juristen und Slalom-Politiker lassen da und dort verlauten, die Sanktionen würden der Neutralität nicht grundsätzlich widersprechen. Winkelanwälte mögen gar einen völkerrechtlichen Buchstaben finden, der die Quadratur dieses Kreises rechtfertigt. Dabei ist es offensichtlich: die Schweiz ist Teil der Kriegspartei USA/NATO/EU. Sie hat klar Stellung gegen Russland bezogen und damit die Neutralität über Bord geworfen.

 

Die Mitschuld der USA ist unübersehbar

Dass der Bundesrat im Frühjahr 2022 unter internationalem Druck stand, ist klar. Putin wurde von westlichen Regierungen und Mainstreammedien ja sogleich als "allein schuldig" bezeichnet. Es gab für "gute" Nationen also nur einen richtigen Weg: sich den Sanktionen anzuschliessen.

Kritische Stimmen relativierten die ausschliessliche Kriegsschuld der Russen zwar umgehend. Sie wiesen darauf hin, dass der Westen seit 2014 (Euromaidan) einen verdeckten Krieg in der Ukraine führte. Putins Russland wurde somit ein Recht auf Selbstverteidigung attestiert gegenüber einer NATO, die sich seit 1990 trotz gegenteiliger Zusagen hegemonial nach Osten ausbreitete.

Natürlich wurden kritische Schreiber umgehend als gefährliche "Putin-Versteher" diffamiert und aus der Gesellschaft der "Vernünftigen" ausgeschlossen. Doch das Treiben der westlichen Allianz in der Ukraine war zu öffentlich, als dass es sich unter den Teppich kehren liess. So publizierte die Weltwoche seit Kriegsbeginn viele Texte gegen die Schwarz-Weiss-Malerei zu Ungunsten Putins. Auch die Plattform Infosperber brachte eine Fülle von Texten, die das kaum verdeckte Treiben von USA/EU/NATO offenbarten. Kurz vor Weihnachten 2023 bilanzierte InfoSperber-Chef Urs P. Gasche, dass der Euromaidan 2014 nichts weniger als ein veritabler Putsch gewesen sei. (INFOsperber 13.12.23).

 

Eine schwache Landesregierung missachtet die Verfassung

Warum also hat der Bundesrat 2022 die Neutralität aufgegeben? Unsere Regierung hatte mit Sicherheit Kenntnis von der unlauteren Politik der USA. Es hätte folglich eine Fülle von gewichtigen Argumenten gegeben, neutral zu bleiben. Doch die Landesregierung beschloss, sich der westlichen Allianz gegen Russland anzuschliessen. Der Druck seitens der USA/NATO/EU war offenbar zu gross. Zudem war der Bundesrat beim eigenständigen Regieren etwas aus der Übung gekommen. In Corona-Zeiten hatte sich unsere Landesregierung offenbar daran gewöhnt, Weisungen ausländischer Regierungen und internationaler Organisationen zu übernehmen, statt deren Nutzen zu prüfen und die "vorgeschlagenen" Massnahmen allenfalls zu verweigern. Kurz und gut: die UKraine-Allianz scheint ein leichtes Spiel gehabt zu haben, um den Bundesrat zur Preisgabe der Neutralität zu bewegen.

Aus konservativer Sicht hat die Landesregierung die Verfassung gebrochen. Da wir in der Schweiz kein Verfassungsgericht haben, können wir keine Klage einreichen. Auch von der Bundesversammlung ist keine Hilfe zu erwarten. Dieses Gremium hätte gemäss Art. 173 ebenfalls die Pflicht, "Massnahmen zur Wahrung der Neutralität" zu treffen. Doch ist anzunehmen, dass die Mehrheit der National- und Ständeräte genauso handeln würde, wie es der Bundesrat getan hat. Mainstream-Poltiker können nichts anfangen mit der Neutralität.

 

Das Volk kann den Weg zurück zur Neutralität ebnen

So soll's das Volk wieder einmal richten. Bürgerliche Kräfte haben eine Initiative gestartet, um die Stellung der Neutralität in der Bundesverfassung zu sichern und markant auszubauen. Natürlich ist damit zu rechnen, dass der Bundesrat und die mitte-linken Mehrheitsparteien alles daransetzen, die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen. Das Volk muss in nächster Zukunft also erneut über den Sinn, die Funktionsweise und den grossen Nutzen der Neutralität informiert werden. Darum sollen hier kurz ein paar Eckwerte und einige historische Streiflichter der Schweizerischen Neutralität genannt werden:

  • 1515: "Mischt Euch nicht in fremde Händel!" so soll Bruder Klaus (1417-1487) den Eidgenossen geraten haben. Niklaus von Flüe war kein weltfremder Beter. Er war Offizier, Landamman und Richter gewesen, bevor er in den Ranft ging. Bruder Klaus kannte die Bosheit der Menschen. Und er sah die gefährdete Lage der Eidgenossen inmitten eines kriegerischen Europas. Er warnte vor Expansions-Gelüsten ("Stecket den Zaun nicht zu weit!") und rief dazu auf, sich aus externen Streitereien rauszuhalten. Die herbe Niederlage in Marignano 1515 auferlegte den Eidgenossen Selbstbeschränkung. Und es bekräftigte den Rat, sich aus fremden Händeln herauszuhalten.
  • 1648. Im 30-jährigen Krieg (1618-1648) legte sich Europa in Schutt und Asche. Ein Drittel der Bevölkerung kam um. Die Schweiz war eine Insel des Friedens. Die Eidgenossen hatten bereits 1531 nach einem kurzen Glaubenskrieg eingesehen, dass man trotz konfessionellen Gegensätzen neben- und miteinander leben kann. Schweizer Katholiken und Reformierte entledigten sich schon damals des Zwangs, das andere Lager mit Waffengewalt davon überzeugen zu müssen, dass man Recht hat. 1648 gewährten die europäischen Mächte der Schweiz das Recht, aus dem "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" auszutreten. Im "Defensionale von Wil" hatten die Eidgenossen 1647 die Eckwerte der bewaffneten Neutralität vorgelegt. Sie sicherten den europäischen Mächten zu, dass die Eidgenossen sich bei kriegerischen Auseinandersetzungen keiner der Kriegsparteien anschliessen würden. Ebenso untersagte das Dokument einer Kriegspartei das Durchzugsrecht durch die Schweiz. Auf Grund dieser Zusagen liess das aristokratische Europa die neutrale Eidgenossenschaft ziehen.
  • 1815: Nach der französischen Revolution, der Okkupation der Schweiz durch Napoléon und den blutigen napoleonischen Kriegen in Europa beanspruchten die Eidgenossen von den Siegermächten erneut die Neutralität ihres Staatswesens. Der Wiener Kongress anerkannte sodann die immerwährende Neutralität der Schweiz. Dadurch wurde der bisherige gewohnheitsrechtliche Zustand (seit 1648) völkerrechtlich verankert. 
  • 1867: Der Gründer des Roten Kreuzes, Henry Dunant (1828-1910) erkannte, dass Hilfsaktionen zu Gunsten verletzter Soldaten in Kriegsgebieten nur möglich sein würden, wenn Sanitätstruppen als neutral gelten. Trotz des erbitterten Widerstands seiner Mitstreiter im Komitee beharrte Dunant auf diesem Aspekt, was den Welterfolg des Roten Kreuzes erst möglich machte. Die Schuldfrage wurde fortan ausgeklammert, wenn es darum ging, Kriegsopfern zu helfen. Dunants Wurf begründete die weltweite Ausstrahlung der Schweiz als neutrale Vermittlerin und Helferin in Kriegen. Die spätere Ansiedlung des Völkerbundes und der UNO in Genf ist somit in ausserordentlichem Masse der Neutralität zuzuschreiben.
  • 1914/1939: dass die Neutralität die Schweiz in den beiden Weltkriegen vor unermesslichem Leid bewahrt hat, muss nicht weiter erörtert werden. Dass auch andere Gründe mitgespielt haben (Bewahrung, Diplomatie, Ökonomie, Militär, verdeckte Aktionen, schuldhafte Flüchtlingspolitik etc.), ist bekannt. Die Neutralität der Schweiz kann aber als politischer Hauptgrund betrachtet werden, warum die Schweiz nicht einmal ansatzweise in die Kriegswirren hineingezogen wurde. Stattdessen konnte die neutrale Schweiz während den Weltkriegen und in den folgenden Jahrzehnten etliche hochbrisante Vermittlerdienste und diplomatische Vertretungen wahrnehmen.
  • 2022: In Missachtung der Bundesverfassung und der historischen Gegebenheiten entschied der Bundesrat, die Neutralität fahrlässig zu annullieren.

Während Jahrhunderten war es klar, dass "Neutralität" kein Schönwetter-Instrument ist. Die politische Massnahme sollte unserem Kleinstaat im Herzen eines kriegerischen Europas das Überleben ermöglichen. Es hat funktioniert. Und die Neutralität hat die Schweiz schliesslich befähigt, verfeindete Parteien zu beschwichtigenden Gesprächen zusammen zu bringen. Immer musste die Schweizer Diplomatie dabei von vorschnellen Schuldzuweisungen Abstand nehmen. Gute Vermittler unterliegen keinem selbstgerechten Dünkel. Sie kennen die Komplexität der Schuld und ringen mit den Konfliktparteien um Lösungen.

All dies hat eine widerstandsschwache, parteiische Landesregierung über Bord geworfen. Trotz erdrückender Beweise, dass Russland eben nur einen Teil der Kriegsschuld trägt. Möge das souveräne Stimmvolk mit kühlem Kopf und aufrichtigem Herzen ein besseres Urteil fällen! Die Neutralität soll auch in Zukunft das Wohlergehen der Schweiz sicherstellen.