Warum sind die Abtreibungs-​Initiativen gescheitert?

Am 21. Juni 2023 ist die Sammelfrist für zwei Pro Life-Initiativen verstrichen, ohne dass die nötigen je 100'000 Unterschriften eingereicht werden konnten. Das erstaunt. In der Schweiz gibt es nämlich Hunderttausende von Personen, die an der Urne jeweils für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder stimmen.

Das war schon bei der Einführung der Fristenlösung im Jahre 2002 so. 27.8% der Stimmbevölkerung (540'105) haben damals gegen die Straffreiheit im Falle einer Abtreibung gestimmt. Bei der Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache" waren es im Juli 2011 sogar 30.3% (873'060 Personen), welche durch ihre Stimmabgabe die Abtreibungszahlen in der Schweiz senken wollten.

Der Pro-Life-Anteil von ca. 1/3 der Schweizer Bevölkerung wird seit 2011 kaum kleiner geworden sein. Eher das Gegenteil ist vermutlich der Fall:

  • Zu deutlich ist es durch den Fortschritt der Medizintechnik (z.B. 3-D-Ultraschall) geworden, dass in der 12. Schwangerschaftswoche kein lebloser Zellklumpen entfernt wird. Das obenstehende Bild eines 12-wöchigen Fötus' spricht für sich.
  • Zudem wurde inzwischen bewiesen, dass das Herz eines Embryos nicht erst am 21. Tag nach der Zeugung zu schlagen beginnt, sondern bereits am 16. Tag.
  • Auch hat der jährlich stattfindende "Marsch fürs Läbe" im Jahre 2019 öffentlich angemahnt, dass gegen 90% der ungeborenen Kinder mit einem prognostizierten Down-Syndrom (Trisomie 21) im Rahmen von Spätabtreibungen (um die 20. Woche) getötet werden. Dass die eugenische Abtreibung in der "zivilisierten" Schweiz so still und leise zur tragischen Realität geworden ist, hat die Zahl der Lebensbefürworter wohl noch deutlich erhöht.

Es stellt sich also die berechtigte Frage: warum konnten im grossen Lager der Pro Life-gesinnten Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht 100'000 Männer und Frauen gefunden werden, die die beiden Initiativen unterzeichnen? Die geforderten Verfassungsänderungen waren ja relativ dezent:

  • eine Frau soll durch das Einhalten einer 24-Stunden-Bedenkfrist davor bewahrt werden, im Affekt eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
  • Spätabtreibungen für Kinder, die nach Frühgeburten potenziell lebensfähig sind (ab der 21. Schwangerschaftswoche), sollten nur noch zulässig sein, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. 

 

Geteilte Lager

Es ist klar, dass für die beiden Initiativkomitees möglichst viele Personen angefragt wurden, die durch ihre politischen Mandate einen hohen Bekanntheitsgrad haben. Für die Co-Präsidien konnten die Nationalrätinnen Andrea Geissbühler (SVP) und Yvette Estermann (SVP) sowie Nationalrat Erich von Siebenthal (SVP) gewonnen werden. Auch unter den Komitee-Mitgliedern gab es nationale Parlamentarier/-innen: Therese Schläpfer (SVP), Verena Herzog (SVP), Alois Gmür (Mitte), Benjamin Roduit (Mitte) und Andreas Gafner (EDU). Der Schutz des Lebens ist also deutlich ein bürgerliches Anliegen. 

Nach dem Scheitern der beiden Initiativen haben die Medien (z.B. der Blick) David Trachsel in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Trachsel ist Präsident der Jungen SVP (JSVP) und Komitee-Mitglied in einer der beiden Initiativen. Der mutige Jungpolitiker, gewiefter Redner und innovativer PR-Aktivist, hat das Potenzial, eine politische Führungsperson der Pro Life-Bewegung in der Schweiz zu werden. Die Politiker/-innen, welche diese Rolle bisher wahrnahmen, Yvette Estermann, Andrea Geissbühler und Erich von Siebenthal werden ab Dezember 2023 nicht mehr Mitglieder des Nationalrats sein. 

Trotz der politischen Prominenz in den beiden Komitees, konnten die Initiativen nicht so richtig Fahrt aufnehmen. Das hatte einerseits damit zu tun, dass innerparteilich gegen die Initiativen gewirkt wurde, andererseits bremste fehlende Einheit in der Schweizer Lebensrechts-Szene den Projekterfolg aus.

 

Knatsch in den Parteien

Dass sich ca. ein Drittel des Stimmvolks 'Pro Life' positioniert, kümmert die vorwiegend linken Medien herzlich wenig. Die meisten Verleger und Chefredaktoren frönen dem Zeitgeist und ticken 'Pro Choice'. So lassen sie selten eine Gelegenheit verstreichen, Abtreibungsgegner öffentlich zu diskreditieren und sie manchmal auch in die rechtsextreme Ecke zu stellen. Politiker, die gewählt oder wiedergewählt werden wollen, werden somit leicht darauf verzichten, öffentlich für das 'Recht auf Leben' Stellung zu beziehen.

Der Druck des Zeitgeistes hat auch in den ehemals bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte zu radikalen Veränderungen geführt. Überaus deutlich wurde dies durch den medialen Auftritt von Camille Lothe seit Dezember 2021. Schon vor ihrer Wahl zur Präsidentin der SVP Stadt Zürich hatte sich Lothe negativ über die beiden Anti-Abtreibungs-Initiativen geäussert. Als sie dann im Juni 2022 Präsidentin wurde, kritisierte sie den Präsidenten der JSVP, David Trachsel, in der NZZ für dessen Mitarbeit bei den beiden Initiativen (mehr dazu). Die hoch erfreute NZZ erhob Lothe im März 2022 öffentlichkeitswirksam zum "rosaroten Störefried in der SVP" und liess es sich nicht nehmen, die SVP-Blondine auf NZZ online mit zwei Regenbogenfähnchen in der Hand abzubilden.

 

Knatsch in der Pro-Life-Bewegung

Motor der beiden Initiativen war der in beiden Komitees vertretene Dominik Müggler. Seit mehr als 20 Jahren ist Müggler einer der effizientesten Player der Schweizer Lebensrechtsbewegung. Der Gründer und Leiter der "Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind" (SHMK) und Initiant der Babyfenster in der Schweiz hat schon mehrere Initiativen zu Stande gebracht, die dann an der Urne aber scheiterten.

Eine Zusammenarbeit des verdienten SHMK-Leiters Müggler mit Exponenten anderer Organisationen, die sich für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder einsetzen, liess sich trotz beidseitigen Anstrengungen jedoch nie verwirklichen. In der Trägerschaft des jährlich von einer ansehnlichen Zahl christlicher Organisationen verantworteten "Marsch fürs Läbe" waren die von Müggler geführten Organisationen (SHMK, Verein Mamma u.a.m.) seit 2010 leider die auffallend Abwesenden.

Ein Lager, welches mit der Abtreibungsfrage eine gesellschaftliche Minderheitsposition vertritt, leistet sich also zwei divergierende Flügel und büsst damit markant an Kraft ein. Das Scheitern der beiden Initiativen ist wohl primär diesem Faktor zuzuschreiben. Die fehlende Einheit war von Anfang an fassbar. Dies hat die Dynamik bei der Sammlung der Unterschriften wohl markant eingeschränkt. Da halfen gegen Ende der Sammelzeit keine eindringlichen Aufrufe mehr und auch keine teuren Beilagen in der Weltwoche. Das Verfehlen des Ziels hatte sich längst abgezeichnet.

 

Kampf auf Leben oder Tod

Längst fordern Hardcore-Feministinnen ein "Menschenrecht auf Abtreibung". Natürlich nicht nur als Buchstaben in der UN-Menschenrechtscharta, sondern als gobale Realität.

Den Pro Life-Aktiven in der Schweiz geht die Arbeit also nicht so schnell aus. Die beiden gescheiterten Initiativen dürfen keinesfalls zu Entmutigung führen. Vielmehr sollen sie dazu motivieren, Fronten abzubauen, Reihen zu schliessen und den politischen Kampf endlich in der längst überfälligen Einheit zu führen. Schliesslich ist es ein Kampf auf Leben oder Tod.

Die Gegner des 'Rechts auf Leben' sind jedenfalls hochaktiv:

  • im Februar 2023 hat die Rechtskommission des Nationalrats einen Vorstoss der Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet mit 14:11 nur knapp abgelehnt, der die Löschung des Tatbestands Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch forderte. Die grüne Politikerin argumentierte, Abtreibung sei keine Straftat, sondern eine Frage der Gesundheit. Auch der Nationalrat lehnte die Parlamentarische Initiative Porchtes im März 23 mit 99:91 nur knapp ab. Das Recht auf Leben hat in der aktuellen Bundesversammlung also keinen starken Rückhalt.
  • Die durch den Bund massgeblich mitfinanzierte Organisation "Sexuelle Gesundheit Schweiz" (SGCH) hatte mit einer Petition für Porchets Vorstoss Stimmung gemacht und zeigte sich enttäuscht, dass die Forderung keine Mehrheit gefunden hat. Führung und PR der SGCH geben sich seit Jahren feministisch, links und extrem abtreibungsfreundlich. SGCH rühmt sich sogar öffentlich, ein akkreditiertes Mitglied der grössten Abtreibungs-Organisation der Welt, der "International Planned Parenthood Federation (IPPF)" zu sein. Ungeachtet dessen, dass die IPPF von der Abtreibungsaktivistin und rassistischen Eugenikerin Margaret Sanger gegründet wurde!!
  • Als Partnerin des BAG führt die SGCH staatlich alimentierte Beratungsstellen für schwangere Frauen in Not (z.B. am Kantonsspital Winterthur) und fungiert als Dachorganisation der 'Fachstellen für sexuelle Gesundheit' und der 'Fachstellen für Sexualaufklärung' in der ganzen Schweiz.

Eine hoffentlich bald stärker geeinte 'Lebensrechtsbewegung Schweiz' hat also viel zu tun:

  • Mit intensivem Netzwerken hinter den Kulissen und offensiver PR soll erreicht werden, dass bei den nationalen Parlamentswahlen im Oktober 2023 möglichst viele Pro Life-Politiker/-innen gewählt werden und möglichst viele Lebens-Gegner die Wiederwahl verpassen.
  • Nach den Wahlen soll Druck auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset aufgebaut werden, um die Macht der LGBTQI**-/Abtreibungslobby im BAG zu brechen und den Augiasstall auszumisten.
  • Mit dynamischer PR und proaktivem Pro Life-Lobbying sollen parlamentarische Vorstösse, welche Abtreibungen vorantreiben, bekämpft werden.
  • Politische Vorstösse und grosse PR-Events der Schweizer Lebensrechts-Bewegung (z.B. der "Marsch fürs Läbe) sollten möglichst breit abgestützt und gemeinsam verantwortet werden. So kann das Profil der Bewegung geschärft und die Aussicht auf Erfolg bei Volksabstimmungen erhöht werden.